Vom Denken in Beziehungen


Warum brauchen wir sie?
Wie wurde es ausgehölt?

Menschen denken nicht im luftleeren Raum. Sie brauchen Mythen, Bilder, Begriffe oder Proportionen, um die Dinge dieser Welt zu vergleichen und miteinander in Beziehung zu setzen. Das ist analoges Denken. In dieser Geschichte geht es um analoge Denkformen und ihre Entwicklung in der Neuzeit.

Am besten beginnen wir mit einer kniffligen Denkaufgabe:

"Die Personen A und B spielen ein faires Spiel mehrere Male: Wer als erster 6 Siege errungen hat, soll die eingesetzte Summe erhalten. Nun brechen sie ab bei der Situation, wo A 5 Siege und B 3 Siege aufzuweisen hat. Wie soll die Summe aufgeteilt werden?"

Die Antwort von Luca Pacioli (1445-1514) lautet: "Die Summe soll im Verhältnis 5:3 verteilt werden."

Aus der Sicht der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist diese Antwort falsch. Luca Paciolis Denken basierte auf Proportionalitäts-Denken. 160 Jahre später wurde die richtige Lösung publiziert.

Die richtige Antwort lautet: 9:1.

Warum 9:1 und nicht 5:3?

Hier wird die Ambivalenz zwischen dem analogen und dem digitalen Denken offenbar. Als Menschen sind wir mehr im analogen Denken zu Hause, indem wir Waren und Werte miteinander vergleichen. Das moderne Geldwesen, der Finanzmarkt und die Versicherungsmathematik sind ganz dem digitalen Denken verschrieben.

Luca Pacioli basierte sein mathematischens Wissen auf Euklid, dem griechischen Mathematiker in Alexandria. Berachtet man Euklids Werk, so fällt sofort auf, dass unsere Mathematik-Bücher anders aussehen.

Illustration von Leonardo da Vinci (1509) für das Werk De Divina Proportione von Luca Pacioli (Wikipedia)

Illustration von Leonardo da Vinci (1509) für das Werk De Divina Proportione von Luca Pacioli (Wikipedia)

Euklid

Euklid, der griechische Mathematiker, der um 300 v. Chr. in Alexandria lebte, fasste wesentliche Teile der an der Schule Platons betriebenen Mathematik in den Elementen zusammen. Euklid prägte damit die Mathematik im Abend- und Morgenland für mehr als 2000 Jahre.

Es ist eine der grössten Erfolge der Weltliteratur, viele Generationen haben daraus Geometrie gelernt. Die Elemente wurden noch bis in 19. Jahrhundert als Lehrwerk im Mathematik-Unterricht verwendet. Es war lange Zeit nach der Bibel das am meisten verbreitete Buch.

Kathetensatz und Höhensatz von Euklid einfach erklärt von www.frustfrei-lernen.de.

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Das Wissen von Euklid wäre verloren gegangen, hätten die Araber nicht die Bücher sorgsam aufbehalten. Denn das Museion von Alexandria brannte nieder, der Rest ist im Meer versunken. So aber wurde Euklids Wissen vor dem Untergang gerettet. Im ausgehenden Mittelalter wurden die Texte aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt und nach der Erfindung des Buchdrucks in viele andere Sprachen. Die Elemente bestehen aus 13 Büchern oder Kapiteln, sechs über die Geometrie der Ebene, drei über Arithmetik, Zahlentheorie und die Lehre von den Proportionen, eines über inkommensurable Grössen und drei über Raumgeometrie.

Ptolemaios I., ein ehemaliger General Alexander des Grossen, war seit dem Jahr 305 v. Chr. König von Ägypten. Was der Mathematiker Euklid, einer der vielen Gelehrten in der aufblühenden Hauptstadt Alexandria, verkündete war dem König aber doch zu hoch. Ob es für ihn als König nicht einen einfacheren Weg zu diesem Wissen gebe? Euklid antwortete, dass es keinen "Königsweg" zur Mathematik gebe, nur harte Arbeit. Die Elemente von Euklid ist denn auch an Trockenheit kaum zu überbieten. Ohne grosse Einleitung geht es sofort zur Sache: "Ein Punkt ist, was keine Teile hat" lautet der erste Satz, und in dem Stil geht es weiter: Punkte, Geraden, Kreise und andere im Text durch Buchstaben symbolisierte Objekte bevölkern die dichte Folge kurzer Aussagesätze, die ständig Vergangenes voraussetzen.

Der Grieche Euklid begründete die strenge Mathematik - und zugleich ihren Ruf, furchtbar schwierig zu sein. Im Jahr 1847 versuchte der Brite Oliver Byrne, Euklids geometrische Beweise zu visualisieren. Das Ergebnis: das vielleicht schönste Mathematikbuch aller Zeiten.

Das analoge Denken hat auch Bezug zu Geld. So erklärt Aristoteles in seinem Buch der Ethik den Gebrauch von Münzen: nicht nur die beiden zu tauschenden Waren wären zu beachten, sondern auch die beiden Tauschenden, bzw. ihre Beziehung zueinander. Nur so komme ein gerechter Tausch zustande. Das ist analoges Denken.

Der grosse Umbruch im Denken fand im 16. Jahrhundert statt, das binäre Zahlsystem von Leibniz stellt das neue lineare Denken dar. Mit dem neuen Denken kam eine neue Mathematik auf, auch unser heutiges Geld, das mit einer Zahl symbolisiert wird, sowie eine neue Art von Tausch, der Äquivalenten-Tausch.

Euklid, Elements, Basel 1537. Erste vollständige Zusammenstellung der Texte Euklids.

Euklid, Elements, Basel 1537. Erste vollständige Zusammenstellung der Texte Euklids.

1847 veröffentlichte der Brite Oliver Byrne in einer Auflage von 1000 Exemplaren eine Ausgabe der ersten sechs Bücher der Elemente, in derr er in Euklids dichtem Textgefüge die behandelten geometrischen Objekte durch farbige Figuren repräsentiert.

1847 veröffentlichte der Brite Oliver Byrne in einer Auflage von 1000 Exemplaren eine Ausgabe der ersten sechs Bücher der Elemente, in derr er in Euklids dichtem Textgefüge die behandelten geometrischen Objekte durch farbige Figuren repräsentiert.

Farbvariante der Elemente von Olive Byrne von 1847 - ein Versuch Geometrie durch Farbmuster darzustellen und so die Beziehungen sichtbar zu machen.

Leibniz und das binäre Zahlensystsem

Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) war ein deutscher Philosoph, Mathematiker, Jurist, Historiker und politischer Berater der frühen Aufklärung. Er gilt als der universale Geist seiner Zeit. Leibniz war einer der bedeutendsten Philosophen seiner Zeit und einer der wichtigsten Vordenker der Aufklärung. Leibniz' Arbeit war wegbereitend für die Rechenmaschine im heutigen Sinne, den Computer.

Leibniz Satz "Dies ist die beste aller möglichen Welten" wurde von Voltaire im Roman Candide verspottet. Was Leibniz damit meinte ... siehe Link.

Leibniz war vielseitig begabt und interessiert. 1667 veröffentlichte er z.B. eine Schrift zur Reform des Rechtswesens. Darin fordert er eine Vereinheitlichung der Gesetzwerke der christlichen Nationen. Er versuchte, in jeder Religion etwas Wahres zu finden und dies in eine grosse Harmonie, in eine allumfassende allgemeine Religion einzuordnen.

Leibniz wollte die Weltformel finden, denn alles in dieser Welt würde zusammenhängen. Er erforschte alle Zahlensysteme der Welt. So erkannte er auch die mathematische Symbolik des chinesischen I Ging. Das Tao mit Yin und Yang beruht ja auch auf zwei Polen, plus und minus. Das binäre System, auch Zweiersystem genannt, kennt ausschliesslich zwei Zustände und verwendet ausschliesslich die Ziffern O und 1 zur Darstellung von Zahlen. Dies ist die Grundlage des Computers.

Damit hat das funktionale Denken das Proportionale Denken abgelöst, wenigstens in Wirtschaft und Technik.

Das Denken in Algorythemen hat das Denken in Verhältnissen verdrängt. Zur gleichen Zeit, als das moderne Kreditgeld aufkam und die Marktwirtschaft sich als das vorherrschende Wirtschaftssystem etablierte. Ein Zufall? Oder führt die Marktwirtschaft zum funktionalen Denken? Hier liegt der Schlüssel zum Verständnis unseres Wirschaftssystems, unseres Geldes und des Kapitalismus.