Geld
Was ich darüber weiss

Mein Name ist Jürg Conzett. Ich habe mich ein Leben lang mit Geld beschäftigt und weiss einiges darüber.
Ich habe auch viel praktische Erfahrung mit Geld in all seinen Facetten. Als Unternehmer und unabhängiger Anlageberater habe ich in fünf Jahrzehnten Praxis Menschen beraten und beobachtet, was sie mit ihrem Geld (und dem von anderen) machen. Da kann ich Ihnen einiges erzählen, auch in diesem Magazin, mit Stories, die Sie anregen, sich kritisch mit Geld auseinanderzusetzen und in seine Kulturgeschichte einzutauchen. Wir lieben schöne Dinge und Ideen über alles und lassen das Vergnügen nicht zu kurz kommen.
Fast noch spannender als Anlageberatung fand ich aber etwas anderes: Was machen das Geld und der Wunsch, mehr davon zu besitzen, mit den Menschen und unserer Welt?
Eine merkwürdige Frage für einen Investment-Spezialisten? Sich wundern ist gut, erzählen aber besser. Deshalb berichte ich in dieser Story ein wenig aus meinem Leben und wie ich zu meinen Erkenntnissen gekommen bin.
Beginnen möchte ich bei mir selbst und meiner Familie.
Der Guldiner zeigt Felix, Regula mit ihrem Diener, die ihre Köpfe auf die Anhöhe tragen, wo sie nach ihrer Hinrichtung begraben sein wollten. So geht die Gründungslegende des Grossmünsters.
Die Stadtheiligen Zürichs stehen am Anfang meiner Lebensreise. Die Conzetts sind eine Zürcher Unternehmerfamilie.
«C O N Z E T T»
In den ersten fünfzehn Jahren war ich «Conzett».
Ich bin in Zürich geboren und in meiner Familie aufgezogen worden. Aus meiner Umgebung habe ich Weltbilder übernommen, aber auch viele Bücher, unter denen ich aufgewachsen bin. Das kommt daher, dass meine Urgrosseltern eine Druckerei und Verlag gegründet hatten - aus einer sozialen Idee heraus, nicht um Geld zu verdienen. Aber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab’s Wachstumsschübe, die Firma gedeihte und produzierte herrliche Bücher.
Über Geld hat man in unserer Familie zwar nie gesprochen, aber ich spürte, dass es Unterschiede gibt, die dafür sorgen, dass unter der Oberfläche ein erbitterter Kampf ums Geld tobt, und zwar nicht das Geld auf dem Bankkonto, sondern ein bestimmtes Etwas, das Macht und Identität gibt. Mit meinen limitierten Sachkenntnissen war dem schwer beizukommen, aber ich wollte schon damals wissen: Wie kommt man zu Geld, ohne von ihm abhängig zu werden? Und ebenso wichtig: Wie bleibt man unabhängig und kommt trotzdem zu Geld?
Interessanterweise fragten sich die Leute schon um 1500, wie das geht und gaben wirklich auch Antworten, im Volksbuch «Fortunatus» (1509), während Jahrhunderten ein Bestseller. Aber soweit war ich damals noch nicht.
In den letzten Kriegsjahren des Zweiten Weltkrieges entstand der Wunsch, die fremden, einander bekriegenden Länder über deren Literatur besser kennen zu lernen. So entstand der Manesse Verlag der Weltliteratur. Auch der Wunsch, soziale Anliegen über Kunst zu diskutieren erwachte; und so entstand die Monatszeitschrift DU, die den Leser schon im Titel direkt ansprach. Beide Verlagsprodukte zeigten nachhaltige Wirkung.
Ich habe die Bibliothek meiner Vorfahren übernommen. Bestückt mit den Sammelobjekten meiner Vorfahren kaufte ich weitere Bücher an Auktionen und in Antiquariaten, die mich neugierig machten. Von ihnen soll in den Bibliotheksgeschichte die Rede sein.

Wie alle habe ich klein angefangen.
«I C H»
Mein Vater war immer grosszügig, was meine Ausbildung betraf. So musste ich mich noch nicht um Materielles kümmern, sondern konnte meiner Neugier freien Lauf lassen. Geschichte, Soziologie, Psychologie standen damals auf meiner Studienliste. Als Student schlug ich mich stark mit dem «Ich» herum.
Deshalb und weil das sowieso alle taten, las ich die Romane von Max Frisch: Stiller, Bin oder die Reise nach Peking und andere. Sie handelten von Identitätsfindung. Vorwärts und rückwärts. Das tat auch gut, aber mit der Zeit wurde das Ich immer unwichtiger, bis ich es mit etwa 30 Jahren ganz wegwarf. Es hatte mich bei der Arbeit behindert.
Wer die Finanzmärkte beobachten will, muss eine neutrale Warte einnehmen können. Nur wer die eigenen Interessen hintan oder sogar ganz wegstellen kann, wird auf Dauer erfolgreich sein. Ob Sie das nun glauben oder nicht.
Ich habe es nie bereut. Das Ich hat mir nie gefehlt, und ich wurde respektiert in meinem Beruf.
Später, in den USA war weder Conzett noch dieses Ich in grosser Nachfrage. So entwickelte ich den «Jürg».
«J Ü R G»
Jürg ist mein individueller Rufname, unabhängig vom Familienname Conzett und hat mit meinem Ich nichts zu tun. Dein Ruf oder Name ist individuell, da bist du ganz allein auf dich gestellt. Unabhängig.
Die Erkenntnis daraus? Chancen hast du nur dann, wenn du in einem Gebiet tätig bist, das dir ganz entspricht, an dem du Spass hast. Es ist wie beim Golf: Den Sport betreibst du allein für dich, nicht für die andern. Schon beim ersten Abschlag fängt es an. Richten sich deine Gedanken darauf, was du für einen Eindruck machst, wie dein Schwung aussieht,so spielst du das Spiel der andern. So wirst du die Ausdauer, die es zum Champion braucht, nie aufbringen. Ohne Freude geht gar nichts.
Es ist der innere Weg, der den äusseren Weg leitet, nicht umgekehrt. Innerlich wächst man dabei. Eigentlich ist der «Jürg» immer nur der momentane Ist-Zustand, der sich wie die Raupe zum Schmetterling mutiert. Menschen, Ideen, Projekte und Geld müssen immer wieder in einen Jungbrunnen steigen und sich erneuern.
Wer auf eine Reihe von alten Hüllen zurückblicken kann, denen man entstiegen ist, sieht den berühmten roten Faden, der ein Wesen und sein Schicksal im Innersten zusammenhält.








Seit meiner Studienzeit ist der rote Faden die Frage: «Wie kann sich Arm und Reich aus dem Geldgefängnis befreien?»
In meinem Leben habe ich vieles gesammelt, nicht nur Erkenntnis, sondern auch Materielles. Ich habe bereits vom Büchersammeln gesprochen.
Die Anfänge meiner Münzsammlung reichen ebenfalls zurück ins Kindesalter. Ein Bekannter meiner Eltern, schon etwas vorgerückt im Alter und über den Sinn von materieller Anhäufung sinnierend, wollte mir seine Sammlung an Zürcher Talern schenken. Ob ich vielleicht Geschichte studieren werde? Damals hatte an dieser Bemerkung gar keine Freude, aber meine Mutter ermahnte mich, dem Herrn höflich zu danken, als er am nächsten Tag kam und mir die Münzsammlung überreichte.
Im Studium wählte ich tatsächlich das Fach Geschichte - Vorsehung oder Zufall? Münzen sind für mich Fenster in andere Zeitepochen geworden. Münzen befreien uns von starren Jahreszahlen, sondern erzählen uns ihre Geschichten, ein Stück lebendiger Menschheitsgeschichte.

Ein Glück für mich war meine Urgrossmutter. Sie hiess so, wie dieses Vreneli in Gold. Von Verena Conzett werde ich in diesem Magazin noch mehr erzählen.
Verena Conzett muss ihre Urenkel und Urenkelinnen gekannt haben, da ich der Jüngste bin von allen und sich das Leben von Verena und mir für 10 Monate überschnitten hat. Manchmal habe ich mir vorgestellt, was sie zu mir sagen würde. Zum Glück hat sie ihre Sicht auf das Leben selbst ausgedrückt. Ihre Autobiografie liest sich als Dokument einer Selfmade-Woman im besten Sinn. Im Vorwort der Erstausgabe hat sie zusammengefasst, was sie den Urenkeln und der Urenkelin als Rat mitgeben wollte:
«Das Geheimnis meines Erfolges besteht darin, dass es mir glückte, stets im richtigen Augenblick zuzugreifen, mutig mir selbst zu vertrauen und trotz Schicksalsschlägen und Hindernissen unentwegt auf das selbstgesteckte Ziel hinzusteuern.»
Diese Lebenshaltung würde ich heute als Serendipity bezeichnen. Verena hatte ein gutes und soziales Herz, aber auch einen gesunden Ehrzeiz. Was sie uns wohl raten würde? Leuten helfen, sich in ihrem Leben zurecht zu finden, ihre Ziele und auch Visionen zu erfüllen, etwas Nachhaltiges zu erarbeiten. Sie war nicht eine Frau der vielen Worte, sondern der Tat. Sie verfügte über eine Widerstandskraft, die man heute als Resilienz bezeichnet. Einfach und klar sagt sie es selbst immer wieder, wie sie auch nach harten Schlägen die Augen für das Glück wieder öffnen konnte.
«Endlich lachte auch mir wieder das Glück!»
Verena Conzett ist mein Leitstern geblieben und verdient dies im fünfzigsten Jahr des Frauenstimmrechts in unserem Land ganz besonders.

Geld hat eine Doppelnatur. Ich habe sie schon als Jüngling, zehn Jahre bevor ich meine erste Stelle antrat in der Wirtschaft, wahrgenommen. Deshalb habe ich dem Geldsystem nicht getraut. Geld kommt als Kreditgeld in die Welt, einmal als Schuld, einmal als Guthaben. Es ist doppelzüngig.
Ab und zu fragt mich ein Besucher im MoneyMuseum, nachdem ich ihm die für mich schönsten Bücher der Welt gezeigt und erklärt habe, was denn so ein Buch wert sei. «Es ist wertlos», sage ich dann und beobachte, wie diese Antwort den Besucher verwirrt.
Sein Denkschema erlaubt ihm nicht zu verstehen, was ich meine. Dann erkläre ich: «Das Buch hat beim Kauf sehr wohl einen materiellen Wert, den ich dem Verkäufer als Preis übergebe; aber anschliessend ist das Buch keine Ware mehr, wird niemals mehr einen Preis haben und ist somit wert-los. Nur so kann man sich an Büchern wirklich erfreuen, am Papier, am Einband, am gedanklichen Reichtum, den es uns schenkt.»
Der Geldmensch dagegen sieht in jedem Objekt eine Ware mit einem Preis. Er geht in ein Kunstmuseen, sieht ein Gemälde, aber nicht das Bild, sondern das Täfelchen, auf dem steht: Pablo Picasso, Leihgabe von Aristoteles Onassis. Es rückt das Kunstwerk in seine Gedankenwelt und gibt ihm den Wert. Ich habe diese Geldlogik nie gemocht.
Für den Geldmenschen ist alles relativ. Für Georg Simmel ist er der Blasierte, der sich alles erkaufen kann, aber weil er alles erkaufen kann, hat nichts mehr einen Wert, wie Simmel in seiner Philosophie des Geldes (1900) darlegt. Das Geld verleiht diesem Typus ein Allmachtsgefühl. Geld ist mächtiger als Macht, denn mit Geld kann man Macht erkaufen. Der Geldmensch war für Simmel ein Totgeweihter, der nur noch besitzen und zerstören will.

Als ich das Buch Im Takt des Geldes von Eske Bockelmann gelesen habe, leuchtete mir die Argumention, dass Geld unser Denken formt, sofort ein. Aber die meisten Menschen, denen ich von diesem Werk erzähle, lehnen sie vehement ab. Es wäre genug, wenn die Ökonomen die Hoheit der Geldforschung für sich beanspruchen und alles wie unter einem Schleier behandeln. Heute folgen die höchsten Politiker der Logik des Geldes.
Dieses Denken stiess mich schon als Jüngling ab. Als Student wandte ich mich deshalb dem griechischen Philosphen Epikur zu, damals noch ohne Kenntnis von Lukrez’ De Rerum Natura. Später studierte ich das chinesische Buch der Wandlung. Eine gute Anleitung für den sozialen Wandel, wie ich finde.
Diese und andere philosophische Werke haben meine Vermutung bestätigt, dass es nur einen Weg gibt, mit Geld umzugehen:
- Mache etwas, das dir entspricht. Etwas, worin du ein Talent entwickeln kannst.
- Mache etwas, das du gerne machst. Vorausgesetzt, du hast Ausdauer.
- Mache etwas, das positiv ist im sozialen Kontext. Sonst zahlt dich niemand.
Diese Maxime begleitete mich von Anfang an. Ich wusste, dass ich meinen eigenen Ausdruck finden muss, um von niemanden abhängig zu sein.
Mit der Münze sind wir wieder in Zürich angelangt. Hier steht das MoneyMuseum. Kommen Sie an die Hadlaubstrasse. Ich freue mich auf das Gespräch mit Ihnen. Denn dieser Austausch ist wertvoll.
