Enea Vico

Großer Kupferstecher und Entdecker der Rückseiten römischer Kaiser Münzen.
Venedig 1554

Omnium Caesarum verissimae imagines ex antiquis numismatis desumptae : addita perbrevi cuiusque vitae descriptione ac diligenti eorum quae reperiri potuerunt numismatum, aversae partis delineatione. Venedig, 1554.

Titelseite

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Es ist ein prächtiger Band, den wir hier vor uns haben. Hunderte Rückseiten römischer Münzen werden in akkuraten, wunderbar ausgeführten Stichen gezeigt. Das verwundert wenig, wenn man deren Urheber kennt: Enea Vico (1523 -1567), einer der großen Kupferstecher der Renaissance. Und dennoch wäre Vico sicher gekränkt, würde er wissen, dass er heute von Wikipedia als „italienischer Kupferstecher und Autor.“ geführt wird. Denn sein Leben lang beschäftigte sich der Mann aus Parma mit antiken Münzen und verfasste mehrere beachtliche Kataloge und theoretische Schriften zu dem Thema. Auch für dieses Buch hier hat er nicht einfach nur die Illustrationen geliefert. Wenn wir heute erst einmal glauben, dass ein Künstler nicht gleichzeitig ernsthafter Numismatiker sein könnte, entspricht das nicht der Vorstellung der damaligen Zeit, in der talentierte Männer in mehreren Bereichen als fähig gelten konnten. Im Gegenteil sah man es im 16. Jahrhundert so, dass Künstler über Fähigkeiten verfügten, die für die Beschäftigung mit antiken Münzen essentiell waren: Augen, die darin geschult waren, Objekte genausten zu erfassen sowie die Fähigkeit, ihnen vorliegende Münzen exakt in Zeichnungen wiederzugeben.

In Omnium Caesarum verissimae imagines werden die Rückseiten der Münzen der klassischen Zwölf Caesaren nach Sueton angeführt – von Caesar bis Domitian. Die Gliederung ist dabei eine, wie sie in numismatischen Werken oft zu finden ist. Die Kaiser werden nacheinander abgehandelt. Zunächst kommt je ein Stich von Vico, der eine Gedenktafel für den jeweiligen Kaiser imitiert und von einem Münzportrait bekrönt wird. Es folgt ein knapper Text über das Leben des Kaisers. Die Texte stammen von Vicos Partner Antonio Zantani, der dafür hauptsächlich auf Sueton zurückgriff. Diese Texte sind aber nichts Neues – viel spannender sind die von Vico geschaffenen Stiche der Rückseiten römischer Münzen, die nun folgen. Sie bilden den Kern des Buches und „liegen“ in gestochenen Münztabletts, die pro Seite 12 „Fächer“ aufweisen, von denen allerdings nicht alle mit Münzen gefüllt sind. Eine weitere Untergliederung der Münzen erfolgt nach Metall. Sonstige Sortierungen nach chronologischen oder inhaltlichen Aspekten gibt es nicht. Größen und Gewicht werden nicht angegeben – die Motive sind hier das Entscheidende. 

Die erste Ausgabe dieses Buchs erschien 1548 auf Italienisch. Diese Fassung ist eine rundum überarbeite Neuauflage von 1554 und auf Latein verfasst. Es wurden fast 100 neue Münzen aufgenommen. Als wirklich herausragend an dieser Ausgabe gilt heute der neue Index, in dem Vico sich an der Interpretation der Motive versuchte!

Omnium Caesarum verissimae imagines ist ein sehr frühes Beispiel für eine Beschäftigung mit antiken Münzen, in der man diese nicht nur auf die berühmten Köpfe der Vorderseite reduzierte.

Vico gehörte zu denen, die erkannten, wie viel man durch die systematische Betrachtung von den Rückseitenmotiven, als Quelle über die römische Gesellschaft und Geschichte, erfahren konnte. In einer späteren Schrift erklärte Vico, Münzen sollen auch dazu dienen, Irrtümer der Geschichtsschreiber zu korrigieren – diese Betrachtung von Münzen als Quellen für die Geschichte ist hochmodern und wird schließlich Kerngedanke der Wissenschaft der Numismatik.

Vicos Werk ist ein wunderbares Zeugnis der Renaissance und dem namensgebenden Drang zum Wiederentdecken der antiken Kulturen. Münzen spielten dabei eine wesentliche Rolle.

In Vicos künstlerischem Schaffen spiegelt sich seine intensive Beschäftigung mit der Antike deutlich wider. Auch wenn sein Name durch seine Kunst unsterblich wurde: Als er in seinen letzten Lebensjahren endlich einen lang ersehnten Posten an einem Fürstenhof bekam wurde er von Alfonso II d’Este in Ferrara nicht als Kupferstecher eingestellt – sonders als Antiquar.