Cusanus

Projekt Neue ökonomische Bildung

Unsere Vision ist eine nachhaltige Welt: eine lebendige und vielfältige Natur, eine solidarische und demokratische Gesellschaft sowie eine gerechte und lebensdienliche Wirtschaft. Wir begreifen es als unsere Aufgabe in Lehre, Forschung und gesellschaftlichem Dialog zu ihrer Gestaltung auch in ungewissen, konflikthaften und widerspruchsvollen Zeiten zu befähigen. 

Wir sind eine Hochschule neuen Typs. Als erste Hochschule für Gesellschaftsgestaltung stehen wir für Freiheit, Vielfalt und Einheit von Lehre und Forschung und gesellschaftlichem Dialog. Wissenschaftliche Disziplinen fundieren wir reflexiv und thematisieren ihre Geschichtlichkeit ebenso wie ihre paradigmatischen Voraussetzungen. Auf dieser Grundlage zeichnet sich unsere Arbeit durch vier Merkmale aus: 

  1. Gestaltungsorientierung: Wir befähigen zur Gestaltung sozialer, ökologischer und ökonomischer Transformationsprozesse, indem wir Wissen, Handeln und Imaginationskraft zu verantwortungsvollem Engagement verbinden. 
  2. Persönlichkeitsbildung: Wir bieten Freiräume kreativer Entfaltung, weil wir Persönlichkeiten stärken wollen. Wir fördern die Entwicklung eigener Standpunkte und reflektierter Erkenntnis sowie den Mut zu Debatte und Neugestaltung. 
  3. Transdisziplinarität: Wir arbeiten transdisziplinär, indem wir wissenschaftliches und praktisches Wissen und Können verknüpfen, sodass sie zur Lösung gegenwärtiger und zukünftiger Herausforderungen aktualisiert, verbreitet und weiterentwickelt werden. 
  4. Partizipation: Wir ermöglichen Partizipation und begreifen uns als lernende Organisation, die auf Selbstorganisation, Diversität und Engagement beruht. 

Bis 2021 in Bernkastel, ab Oktober 2021 in Koblenz. Eine Studentin erzählt ...

Pluralität

Die Pluralität von Biografie, Herkunft, Geschlecht, wirtschaftlichen Hintergründen sowie politischen und weltanschaulichen Überzeugungen in allen Arbeitsbereichen der Hochschule sehen wir als Wert an sich und Grundlage für einen gelingenden Dialog.

Räume

Hierfür schaffen wir Räume der Verständigung. Die aktive Mitgestaltung von Lehre, Forschung, Institution und gesellschaftlichem Dialog durch Studierende ist integraler Bestandteil des Studiums. Gemeinsam mit unseren Studierenden, Absolvent:innen, Mitarbeitenden und Partner-Organisationen bilden wir ein weitläufiges und wachsendes Netzwerk des Wandels von Hochschulen, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen.

Gemeinsam

Gemeinsam übernehmen wir Verantwortung für die Überwindung drängender Probleme unserer Zeit. Gemeinsam gestalten wir heute die Gesellschaft von morgen. 

Projekt: Neue ökonomische Bildung

Problem: Einführende Lehrveranstaltungen der Volkswirtschaftslehre basieren auf einem global verbreiteten Lehrbuchkanon, der sich seit den 1980er Jahren kaum verändert hat. Sie prägen das Denken, nicht nur von zahlreichen Betriebs- und Volkswirt:innen, sondern auch von Lehrer:innen, Journalist:innen und zahlreichen zukünftigen Entscheidungsträger:innen. Gemäß aktueller Forschung ist dieser Lehrkanon einseitig marktliberal bis manipulativ und vernachlässigt Fragen sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Sicherheit (Überblicksstudie: Urban und Rommel 2020). 

Ziel: Für solche Veranstaltungen werden neue zeitgemäß und zukunftsfähige Konzepte entwickelt, erprobt, staatlich anerkannt und durch Bildungsmaterialien flankiert, dass sie schließlich durch Multiplikator:innen Fortbildungen, Lehrmaterialien, Kampagnenarbeit und wissenschaftspolitisches Engagement in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche diffundieren können. 

Vorgehen: Im Kern des Projekts steht die Lehre in den einführenden Modulen des Bachelor Ökonomie – Nachhaltigkeit – Transformation. Hier werden Lehr- Innovationen in Form und Inhalt erprobt, mit den Studierenden evaluiert und weiterentwickelt. Was durch diesen Prozess gereift ist, wollen wir veredeln und vielen zugänglich machen. Dafür implementieren wir diese Inhalte auf digitalen Plattformen, in Video-Vorträgen oder Printmedien, didaktisch maßgeschneidert für verschiedene Anspruchsgruppen. Dabei dokumentieren wir unseren Impact, erforschen Gelingensbedingungen und entwickeln gemeinsam mit Kooperationspartnern Zertifikate, Workshops, Sommerschulen, Curricula und digitale Kursangebote (Massive Open Online Course), die dann weitere Kreise schlagen. 

Kooperation Didaktik des Geldes und neue Bildungsmaterialien 

Die Sunflower Stiftung (Marke: MoneyMuseum) sehen wir in einer uns sehr ähnlichen Bewegung, in der sie sich ein tiefes Verständnis der Wirtschaft und des Geldes erarbeitet hat, nun auf neue Formen des Wirtschaftens zielt und dafür im hohen Maß auf Bildung und Aufklärung setzen möchte. Im Wintersemester 2020 hat sich dabei bereits eine sehr produktive Zusammenarbeit im Bereich der Lehrinnovation einer „erfahungsbasierten Didaktik des Geldes“ ergeben. Diese Arbeit wollen wir nun fortsetzen und durch zwei weitere Bereiche intensivieren.

Projektbereich 1 –
Ausbau einer „erfahrungsbasierten Didaktik des Geldes“ 

Gemeinsam wollen wir das erprobte Bildungsformat einer „erfahrungsbasierten Didaktik des Geldes“ weiterentwickeln. Dabei denken wir sowohl an eine Vertiefung im Bereich der Lehrinnovation in den Studiengängen der Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung, als auch an die Entwicklung von Workshopkonzepten für den Bereich der Erwachsenenbildung. In diesem Bereich würden wir sehr gern weiterhin auch personelle Ressourcen, Expertise und Materialien der Sunflower einbinden und Workshops nach Möglichkeit auch in Zürich durchführen. 

Projektbereich 2 –
Inhaltliche Fundierung und Identifikation strategisch wichtiger Motivationen und „Tipping Points“ der ökonomischen Bildung 

Eine neue ökonomische Bildung zu entwerfen ist ehrgeizig. Wir wollen das zugleich auf eine Art und Weise tun, die ankommt. Dafür bedarf es eine Auseinandersetzung mit herrschenden Glaubenssätzen und eines fundierten Konzeptes, welches Multiplikator:innen überzeugt und als Hintergrund für leicht implementierbare Bildungsmaterialien dient. Wir wollen nicht manipulieren, sondern einen bewusst nachvollziehbaren und sinnstiftenden Paradigmenwandel anbieten und Orientierung geben. Dafür bedarf es weiterer vorbereitender Forschung und kreativer Arbeit für ein neues Gesamtnarrativ einer solchen Bildung. 

Projektbereich 3 –
Entwicklung erster Lehrmaterialien in Print und Digital 

Die Ergebnisse wollen wir in kleinen Büchern von ca. 80 Seiten festhalten, deren Inhalt zudem je in einer einseitigen digitalen Infoseite aufbereitet wird. Diese Modularisierung soll ermöglichen, dass die Materialien als Open Source Dokument unmittelbar in vielseitigen Bildungsformaten aufgegriffen werden können. Zudem werden so bereits zentrale Elemente eines neuen Curriculums entstehen, die bei der Konzeption eines Lehrbuchs aufgegriffen werden können. 

Prof. Silja Graupe: Mentale Deutungsmuster.

Prof. Silja Graupe, Präsidentin Cusanus Hochschule

Prof. Silja Graupe, Präsidentin Cusanus Hochschule

Mentale Infrastrukturen sind Geschichten und Bilder, die wir uns immer wieder erzählen und die wir reproduzieren, um eine komplexe Welt zu verstehen. Ein anderes Wort dafür ist »Frames«. Im Menschenbild des Homo oeconomicus gibt es aber keine imaginären Infrastrukturen, weil es nur eine explizite Rationalität gibt. Deshalb ist es eine emanzipatorische Arbeit, wenn wir darauf hinarbeiten, dass wir als Gesellschaft imaginäre Infrastrukturen schaffen. Das ist ein bewusst kreativer und gestalterischer Akt.

Wir sind eine Gemeinschaft, die um Sprache ringt. Ein Grund dafür ist die verheerende Rolle des Geldes, das ein gesellschaftliches Kommunikationsmittel ist, welches uns aller bildlichen und sprachlichen Ausdrucksmittel beraubt. Wir haben gelernt, schweigend miteinander zu kommunizieren, indem wir Geld nutzen. Damit nutzen wir aber auch eine berechnende Vernunft, und eine oberflächliche Sprache der Waren und ihres Marketings. In dieser Sprache geht es nicht darum, Sinn auszudrücken, sondern etwas zu verkaufen. Der Kern des Neoliberalismus ist eine imaginative Scheinwelt, die um das Geld herum aufgebaut wird. Diese Scheinwelt bezeichnen wir als »den Markt«.

Entscheidend, dass wir wieder unmittelbare Erfahrungen machen, jenseits des Geldes. Also keine neue Autobahn, sondern wir müssen wieder zurück auf die Landstrasse. Wenn ein Baum, ein Wald, ein Tier keinen monetären Wert hat, werden sie im Diskurs nicht wahrgenommen. Alles braucht einen monetären Wert. Unsere Wertdefinition ist vollkommen entleert. Der Neoliberalismus hat die Dunstglocke des Supermarktes geschaffen. Der Neoliberalismus setzt an die Stelle des Wissens den bildhaften Glauben an eine unsichtbare Kraft, die hinter dem Schleier unseres Unwissens alles zum Guten bewirkt. Hier verbindet sich eine mythische Erzählung, wissenschaftlich scheinfundiert, mit unserer alltäglichen Erfahrung: In dieser kapitalistischen Welt weiss ich ja auch nichts. Diese Rhetorik ist als Propaganda genial, weil sie die Menschen in diesem Dämmerschlaf der Realabstraktion des Geldes hält.

Dadurch verkümmern aber meine eigenen bildschauenden Kräfte. Jedes Bild, das von aussen ins Gehirn eingepflanzt wird, schneidet die Fähigkeit des Menschen ab, sich selbst von einem Prozess ein Bild zu machen. Es werden Konstrukte oder Frames formuliert, auf denen unser bewusstes Denken aufsetzt, über die aber nicht mehr nachgedacht wird. Der Mythos des Marktes wurde als Frame gesetzt.

Imagination bedeutet auch etwas zu schaffen, was es noch nicht gibt. Durch die Fähigkeit, in Beziehung gemeinsam Bilderwelten zu entwickeln, könnten wir gemeinsam Wirtschaft neu imaginieren. Unsere massenmedialen Gesellschften beruhen darauf, dass wir über Bilder miteinander kommunizieren, deren Erfahrungshintergründe wir nicht mehr kennen. Das ist das Schicksal unserer Gesellschaft.

Wie soll man sich eine demokratische Gesellschaft mit einem demokratischen Gemeinsinn und lebendiger Imaginationskraft vorstellen? Diese Imaginationskraft fällt uns unheimlich schwer. Wir müssen sie deshalb üben. Die Cusanus-Hochschule hat es sich zur Aufgabe gemacht, junge Menschen darin zu befähigen.

Im Gemeinsinn stecken zwei Traditionen. In der aristotelischen Tradition wird mit diesem Wort bezeichnet, wie die Sinneserfahrungen des Menschen zu Bildern synthetisiert werden. Gemeinsinnökonomie bedeutet also, sich die Fähigkeit wieder anzueignen, in einer direkten Erfahrung die grundlegenden Bilder zu schauen, um sie dann zu Strukturen zu verdichten. Gemeinsinnökonomie bedeutet für mich gemeinsam zu verstehen, was jetzt gebraucht wird, und der Freiheit des Menschen zu vertrauen, in bestimmten Situationen das Richtige zu tun.

Der zweite Sinn des Gemeinsinns ist ein moralischer, der in der Fähigkeit des Menschen liegt, zu gestalten. Wenn wir den Markt oder die Marktwirtschaft erklären, dann zeigen wir Flussdiagramme. Das ist aber eine tote Welt, die vielleicht noch mit Konservendosen bevölkert ist. Was Wirtschaft eigentlich ist, gleicht aber vielmehr den Wimmelbild-Bilderbüchern. So werden Menschen miteinander verbunden und es entsteht eine politische Ökonomie, in der die Berechnung zwar noch eine Rolle spielt, solange es Geld gibt, aber gleichzeitig klar wird, dass wir über Imaginationen und Sprache die Bänder knüpfen können, die uns verbinden.