Politikwende

Chinas Fintech Industrie mit neuem regulatorischen Gegenwind

Chinas Fintech Industrie boomt. 74 % der chinesischen Konsumenten zahlen täglich per Smartphone, mehr als 40% (605 Millionen) der chinesischen BürgerInnen gingen 2020 nicht zur klassischen Hausbank, sondern nutzten Onlinedienste, um ihr Geld anzulegen. Und auch der InsurTech Markt wächst seit 2015 mit Wachstumsraten um die 15%. 

Den Markt dominieren innovative Technologieunternehmen. Traditionelle Finanzdienstleister wie Banken spielen bisher nicht vorne mit. Allen voran der Finanzarm von Alibaba, Ant Group, der längst nicht nur den mobilen Bezahldienst Alipay betreibt, sondern die Hälfte seiner Einnahmen mittlerweile aus anderen Finanzdienstleistungen wie Mikrokrediten, dem Geldmarktfonds Yu‘e Bao oder Onlineversicherungen generiert. Weitere große Akteure sind Lufax, ein Tochterunternehmen von Pingan Insurance und spezialisiert auf den Bereich Wealth Management und Privatkredite oder ZhongAn Finance im Bereich Onlineversicherungen. 

Chinas Fintech Unternehmen fokussieren sich bisher stark auf den heimischen Markt und internationale Expansionspläne richten sich erstmal eher nach Südostasien als nach Europa.

Grafik: Merics

Grafik: Merics

Lediglich im Bereich der mobilen Bezahldienstleistungen gibt es Ausnahmen. So erwarb Ant Group beispielweise Minderheitsanteile an dem europäischen Bezahldienstleister Klarna. Und vor allem in Luxusgeschäften und im Einzelhandel an internationalen Flughäfen ist Zahlen per WeChat Pay oder Alipay auch in Europa möglich. Hier folgen die Unternehmen chinesischen Touristen und Expats, die auch im Ausland nicht auf ihre bequemen Bezahlmethoden verzichten wollen. 

Das rasante Wachstum der Fintech Industrie haben mehrere Faktoren ermöglicht: Chinas zuvor relativ unterentwickeltes Finanzsystem, eine große Neugierde und Bereitschaft der chinesischen Konsumenten neue Technologien zu nutzen, die Verfügbarkeit von Daten und schließlich vor allem ein verhältnismäßig unregulierter Markt – letzteres ändert sich nun. 

Das Duopol von Alipay und WeChat Pay ist der chinesischen Regierung zunehmend ein Dorn im Auge. Mit jeweils 55.6% und 38,8% dominieren sie den mobilen Zahlungsverkehr in China.

Das Duopol von Alipay und WeChat Pay ist der chinesischen Regierung zunehmend ein Dorn im Auge. Mit jeweils 55.6% und 38,8% dominieren sie den mobilen Zahlungsverkehr in China.

Guo Shuqing, China Banking and Insurance Regulatory Commission (Bild: Keystone)

Guo Shuqing, China Banking and Insurance Regulatory Commission (Bild: Keystone)

Während der 2019 von der chinesischen Zentralbank veröffentlichte Fintech Entwicklungsplan noch von „Fintech als neuem Motor für hochwertige Finanzentwicklung“ und „neuer Waffe zum Verhindern von Finanzrisiken“ sprach, rücken mittlerweile die systemischen Finanzrisiken der Branche selbst in den Fokus. So warnte Pan Gongsheng, Vize-Gouverneur der chinesischen Zentralbank im Januar 2021 davor, dass “der grenzüberschreitende, branchenübergreifende und überregionale Charakter des [Fintech] Sektors dazu führt, dass sich finanzielle Risiken immer schneller und weiter mit größerem Spillover-Effekt ausbreiten”. Im März 2021 forderte Staatspräsident Xi Jinping mit ungewöhnlich scharfen Worten ein hartes Durchgreifen gegenüber internet-basierten Plattformunternehmen. Unter anderem forderte er, dass die Aufsichtsbehörden Monopole bekämpfen, fairen Wettbewerb fördern und die ungeordnete Expansion des Kapitals verhindern sollen sowie jegliche Finanzaktivitäten auch von der Finanzaufsicht abzudecken. 

Verstärkter Wettbewerb im Bereich Mobile Payment 

Das Duopol von Alipay und WeChat Pay ist der chinesischen Regierung zunehmend ein Dorn im Auge. Mit jeweils 55.6% und 38,8% dominieren sie den mobilen Zahlungsverkehr in China. Diese Macht wissen sie zu nutzen: Ant kündigte gerade an, die Gebühren für Einzelhändler zu erhöhen.

Die chinesische Regierung reagiert entsprechend: Ein Entwurf zur „Regulierung der Nicht-Banken Zahlungsdienstleister“ von Januar 2021 sieht vor, dass kein mobiler Zahlungsanbieter über ein Drittel oder zwei Zahlungsanbieter mehr als die Hälfte der Marktanteile erreichen darf – beides aber zutreffend auf WeChat Pay und Alipay.

Auch die Einführung der Digitalwährung der chinesischen Zentralbank kann in diesem Kontext gesehen werden. Die Digitalwährung ist als Einzelhandelswährung konzipiert und wird als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt. Das heißt, jeder Einzelhändler muss Zahlungen mit der Digitalwährung akzeptieren. Dass die Zahlungen dabei auch ohne Internet funktionieren und keine Gebühren für das anschließende Abrufen des Bargelds vom mobilen Zahlungsdienstleister anfallen, macht die Digitalwährung bei Einzelhändlern attraktiv.  Durch das Zwei-Stufen Model, die Herausgabe der Digitalwährung durch die Zentralbank zuerst an Finanzintermediäre und dann an die Endnutzer, drängen weitere Anbieter elektronischer Geldbörsen als Konkurrenten für AliPay und WeChat Pay auf den Markt. Der Technologiekonzern Huawei steht beispielsweise schon in den Startlöchern und erwarb Ende März 2021 eine Zahlungslizenz. Zudem schreiten die Pilotprojekte zur Digitalwährung zügig voran – die olympischen Winterspiele in Beijing im Februar 2022 könnten ein möglicher Startpunkt zur landesweiten Einführung sein. 

Systemische Regulierung im gesamten Fintech Bereich

Die chinesische Regierung hat jedoch nicht nur die mobilen Bezahldienstleister im Blick, sondern treibt eine ganze Reihe an Maßnahmen voran, die die gesamte Fintech Branche betreffen. Hierbei geht es vor allem um das Eindämmen von systemischen Risiken und Verringern von regulatorischen Arbitragemöglichkeiten.

Aufgrund bisher fehlender Regulierung lagern beispielsweise die führenden Fintech Plattformen bei der Online Kreditvergabe ihre Risiken zu einem großen Teil an die Banken aus. Während die Plattformen Konsumentenkredite in Milliardenhöhe garantieren, taucht meistens nur ein einstelliger Prozentsatz davon in der eigenen Bilanz auf (bei Ant Group waren es 2% bei einem Gesamtvolumen von 1,7 Billionen RMB), während der Rest von Banken oder Asset Backed Securities finanziert wird.

Die chinesische Regierung reagiert darauf mit der sogenannten ‚funktions- und verhaltensbasierten Aufsicht‘. Nicht die Art des Unternehmens, also ob Finanz- oder Technologieunternehmen, ist in Zukunft ausschlaggebend, welche Regulierungen greifen, sondern die tatsächliche Unternehmensaktivität. Als erste Maßnahme müssen Fintech Unternehmen, die gemeinsame Online-Kredite mit Geschäftsbanken vergeben, jetzt 30% des Kreditbetrags einbringen.

Besonders disruptiv wird die geforderte Umstrukturierung von Fintech Unternehmen in sogenannte Finanzholdinggesellschaften sein. Eine Umstrukturierung ist dann nötig, wenn ein Unternehmen in zwei oder mehr Finanzgeschäften aktiv ist und das Gesamtvermögen einen bestimmten Schwellenwert erreicht. Als Finanzholding werden die Unternehmen dann ähnlich reguliert wie Banken mit deutlich höheren Kapitalanforderungen. Das bisher rasante Wachstum wird dadurch sichtlich abgebremst werden. Als erstes betroffen von dieser Maßnahme ist Ant Group, wo es laut Medienberichten bereits eine gemeinsame Entscheidung über die genaue Ausgestaltung der Restrukturierung mit den Aufsichtsbehörden gibt. Ein Blick in die Strukturen von Chinas Fintech Player zeigt, dass es aber weit mehr Unternehmen treffen wird: Auch die Finanzplattformen von Tencent, Baidu, Jingdong, Suning und Xiaomi sind in unterschiedlichen Finanzaktivitäten wie zum Beispiel mobiles Zahlen, Konsumentenkredite, Unternehmenskredite, Wealth Management oder Versicherung tätig.

Strengere Regeln für Datenschutz

Zusätzlich sehen sich die datenbasierten Geschäftsmodelle der Fintech Unternehmen zunehmenden Einschränkungen gegenüber. Ein neuer Vorschlag zur Regulierung der Nutzung von Daten zur Kreditwürdigkeit schränkt übermäßige Sammlung von Daten ein und erhöht den persönlichen Datenschutz.

Ein Forschungspapier der chinesischen Zentralbank fordert außerdem die Daten von digitalen Plattformen als öffentliches Gut zu definieren und entsprechend zu regulieren. Hinzu kommt ein Bericht über einen möglichen Plan der Chinesischen Zentralbank, ein Joint Venture gemeinsam mit den Internetunternehmen zu gründen, um gesammelte Daten in einer separaten Struktur zu zentralisieren und zu überwachen.

Welche Arten von Daten und welche Quellen hier genau dem Management des Joint Ventures möglicherweise übertragen werden sollen, ist noch unklar. Auch wenn diese Maßnahmen noch nicht beschlossen sind, zeichnet sich ein Trend ab: Die Verfügbarkeit und freie Nutzung von Daten, bisher einer der entscheidenden Vorteile im chinesischen Fintech Markt, wird sich verringern.